Die Analysen des Weltklimarates sind eindeutig: Um die Erderwärmung zu verlangsamen, reicht es nicht mehr, peu à peu den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid zu verringern. Vielmehr muss die Menge des Kohlendioxids in der Atmosphäre aktiv reduziert werden. Das lässt sich beispielsweise erreichen, indem man Wälder aufforstet, die Kohlendioxid (CO2) aufnehmen oder Gesteinsmehl auf Äckern verstreut, das CO2 bindet. Darüber hinaus wurden in den vergangenen Jahren Geräte entwickelt, mit denen sich das Kohlendioxid direkt aus der Luft filtern lässt. Dieses Verfahren wird als Direct-Air-Capture bezeichnet. Das aufgefangene Kohlendioxid kann dann langfristig unter Tage in ausgedienten Erdgasfeldern gespeichert oder in der chemischen Industrie als Rohstoff genutzt werden. Die bisher entwickelten Direct-Air-Capture-Anlagen haben aber einen Nachteil. Wenn die Filter mit Kohlendioxid gefüllt sind, müssen sie gegen frische ausgetauscht werden. Die vollen Filter müssen anschließend wiederaufbereitet werden, indem man sie erhitzt und das Kohlendioxid aus dem Gewebe löst. Das macht den Filterprozess relativ aufwändig und teuer. Die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) entwickeln jetzt zusammen mit verschiedenen Partnern im Projekt CORA eine Direct-Air-Capture-Anlage die kontinuierlich CO2 aus der Atmosphäre entfernt. Der lästige Filterwechsel entfällt. Basis der künftigen Anlage sind Cellulose-Fasern, an die das CO2 bindet.
Die Cellulose-Fasern wurden an den DITF entwickelt. © DITF
Luftiges Cellulose-Vlies
Kohlendioxid ist nur in geringen Konzentrationen in der Atmosphäre enthalten. Daher müssen sehr große Luftmengen durch die Anlagen gepumpt werden, wofür Energie benötigt wird. Um den Strömungswiderstand zu verringern, wurden die Cellulosefasern zu einem luftigen Vlies verarbeitet. Das Vlies soll in einem Endlosband durch die künftige Anlage geführt werden. Zunächst passiert es den Luftstrom, aus dem es CO2 und auch Wasser herausfiltert. Anschließend läuft es durch Wärmekammern, in denen es aufgeheizt wird, damit sich das CO2 und das Wasser wieder von dem Vlies lösen. Die Anlage soll umweltfreundlich mit Solarenergie oder Wärmepumpen betrieben werden. Für die künftige Anwendung sehen die Projektpartner vor, die Anlagen als Modul an den Luftstromkanal von Gebäudeklimaanlagen anzuschließen. Das hätte den Vorteil, dass man die bereits vorhandene Pump- und Lüftungstechnik benutzen könnte und nicht zusätzlich installieren müsste. Denkbar ist es auch, die Anlagen in Gebieten zu betreiben, in denen Wassermangel herrscht. Das Wasser aus den Anlagen wäre dort ein wertvolles Gut, das den Betrieb besonders wirtschaftlich machen würde.
CO2 für Kunststoffe nutzen
Wie sich das abgetrennte Kohlendioxid in der Textilindustrie sinnvoll nutzen lässt, haben Wissenschaftler des Instituts für Textiltechnik der RWTH Aachen University zusammen mit Unternehmen am Beispiel der sogenannten CO2-Socke gezeigt: Die Socke enthält elastische Garne, die aus einer speziellen Form des Kunststoffs Polyurethan (PU) bestehen, für dessen Herstellung unter anderem CO2 aus Abgasen genutzt wird. Normalerweise wird PU zu elastischen Garnen verarbeitet, indem man PU-Fasern aus einer chemischen Lösung heraus verspinnt. Doch das Lösemittelspinnen hat mehrere Nachteile. Zum einen sind dafür Lösemittel erforderlich, die teilweise umweltschädlich sind. Zum anderen ist es aufwändig, weil für den chemischen Prozess etliche Behälter und Apparaturen nötig sind. Ferner ist das Lösungsmittelspinnen deutlich langsamer als das Schmelzspinnen, bei dem Kunststoffe erwärmt, dadurch geschmolzen und dann versponnen werden. Kunststoffe, die sich durch Wärme schmelzen lassen, werden als Thermoplaste bezeichnet. Den Forschern eines Projektpartners ist es gelungen, Polyurethane herzustellen, die sich wie thermoplastische Kunststoffe aufschmelzen und damit auf Schmelzspinnanlagen ohne Lösungsmitteleinsatz verarbeiten lassen. Am ITA wurden zur Verarbeitung dieser Polymere geeignete Schmelzspinnprozesse entwickelt. Schöner Nebeneffekt dieses sogenannten thermoplastischen Polyurethans (TPU): Weil CO2 aus Abgasen im TPU verarbeitet wird, wird das Klima geschont. Das CO2 gelangt nicht mehr in die Atmosphäre, sondern wird sinnvoll genutzt.
Natürlich hält eine Socke nicht ewig und wird irgendwann entsorgt. Da das TPU sich wieder einschmelzen lässt, könnte es sich künftig theoretisch recyceln lassen. Bislang bestehen Socken allerdings aus einer bunten Mischung verschiedener Materialien. Solche Mischtextilien werden daher noch häufig verbrannt. Für die ITA-Forscher wäre es sinnvoll, aus dem Abgas erneut das Kohlendioxid abzutrennen und wiederholt für die TPU-Produktion zu nutzen. So ließe sich der Kohlenstoff im Kreislauf führen. In dem Nachfolgeprojekt „CO2Tex“ arbeitet das ITA-Team jetzt daran, die Verarbeitung des TPU zu optimieren. TPU haftet stärker als andere Garne, was zu höheren Reibungen und Herausforderungen in der Weiterverarbeitung führt. In dem Projekt sollen die Eigenschaften des TPU verbessert werden, damit es sich leicht zu Flächentextilien verarbeiten lässt. Damit ließe sich das klimafreundliche Garn künftig im großem Stil nutzen.
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